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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Ausgabe 03/2024

Liebe Leserinnen und Leser,

Als vor gut zehn Jahren die App „Greta & Starks” zur Untertitelung und Audiodeskription von Kinofilmen auf dem Smartphone-Bildschirm ins Leben trat, betrachtete ich das als eine originelle, aber auch exotische Idee, Menschen mit Hörbeeinträchtigungen wieder einen Zugang zum Kino zu schaffen. Ich habe die App damals ausprobiert und war überrascht, dass - und mit welcher Präzision - sie tatsächlich funktioniert. Wenn wir in dieser Ausgabe (ab Seite 25) über das zehnjährige Jubiläum von „Greta“ berichten, ist das ein wunderbares Beispiel dafür, wie aus einer originellen Idee sowie der sozialen Initiative und dem unternehmerischen Mut einer Filmproduzentin ein tolles und funktionales Produkt werden kann. Mittlerweile stehen rund 700 Filme aus den vergangenen acht Jahren zum Download bereit.

Zehn erfolgreiche Jahre sind eine lange Zeit in unserer schnelldrehenden digitalen Welt. Seit zwei, drei Jahren wachsen die Barrierefrei-Apps für Menschen mit Hör-, Seh- und kognitiven Beeinträchtigungen wie Pilze aus dem Boden. In einer Videopräsentation gab die „Stiftung barrierefrei kommunizieren!” jetzt einen Überblick über den Stand der Entwicklung. Da gibt es Anwendungen, die komplizierte Texte mit Sätzen, die in ihrer Länge und Verschachtelung über mehrere Zeilen gehen, auf Knopfdruck in kurze, einfache Sätze („leichte Sprache”) umwandeln. Wortungetüme werden nebenbei in kurze, prägnante Umschreibungen übersetzt. Das Erstaunliche: Auch für mich wurde der Inhalt wesentlich klarer - und im Vergleich mit dem Originaltext konnte ich keinen Verlust von Inhalt und Aussage feststellen. (Übrigens: Auch dieses Programm wurde nicht von einer berufenen Agentur oder staatlichen Einrichtung realisiert, sondern als soziales Projekt des Fußballclubs St. Pauli.)

Eine andere App ist in der Lage, für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen eine detaillierte Beschreibung von einem Szenenfoto anzufertigen: von der Raumgeometrie über den Wandkalender und das Sideboard mit Fahrradhelm, Rucksack, Trink- und Spülmittelflasche bis hin zu einigen verstreut auf dem Boden liegenden Gegenständen. Da machen sich die von uns Hörgeschädigten mittlerweile öfter gebrauchten Apps zur Spracherkennung vergleichsweise bescheiden aus. Aber auch bei diesen geht die Entwicklung weiter. Sie lernen, mehrere Teilnehmer einer Gesprächsrunde zu erfassen und ihre Wortbeiträge anhand ihrer Stimme getrennt und farblich abgesetzt auf den Bildschirm zu bringen.

Alldas geschieht derzeit in zeitlich dicht getakteten Schritten. Neue Apps und Techniken tauchen auf, drängen sich mit neuen Eigenschaften und Vorteilen vor bereits bestehende, verdrängen sie und lösen sie schließlich ab. Gleichzeitig halten die Funktionalitäten mit kurzer Verzögerung direkten Einzug in die Geräte selbst - das heißt werden fester Bestandteil von Android, i0S und Windows. Womit sich dann für viele Anwenderinnen und Anwender separate Apps erübrigen.

Für Menschen, die die digitale Welt lediglich im Alltag nutzen wollen, passiert das alles derzeit sehr hektisch. Aufgabe der Selbsthilfe sowie ihrer Gruppen und Vereine ist es, die neuen Möglichkeiten zu beobachten, wann sie so weit sind, dass sie im Alltag „für alle“ leicht einsetzbar sind. Dann gilt es, den Betroffenen einen Weg zu weisen, wie sie die neuen Möglichkeiten nutzen können. Für die Betroffenen ist es wichtig, neugierig und offen für Veränderungen zu bleiben. Und natürlich: Für diejenigen, die lieber mit dem Hergebrachten weiterleben möchten, gilt es, Übergänge zu schaffen und zu erhalten. Denn „angemessen“ sind Vorkehrungen zur Barrierefreiheit letztlich nur, wenn sie für alle nutzbar sind.

Ihr Norbert Böttges

 

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Vom 23. bis 25. Februar veranstaltete der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) in Berlin einen Strategieworkshop über Status und aktuelle Entwicklungen der Hörhilfsmittelversorgung in Deutschland. Das von der Bundesregierung im Rahmen des Partizipationsfonds geförderte Seminar soll Selbstbetroffene in den Stand versetzen, als Experten in eigener Sache in der Beratung und Selbstvertretung kompetent die Interessen von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen zu vertreten.

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Im Februar dieses Jahres verstarb im Alter von 85 Jahren Gisela Mätzke. Sie hat sich viele Jahre lang sehr um den Deutschen Schwerhörigenbund e.V. (DSB) und die Selbsthilfe der Schwerhörigen verdient gemacht. Immer hat sie verstanden, Menschen für die gemeinsame Sache zu interessieren und sie in die Arbeit einzubinden.

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„Kommunikation 4.0“ - schon mal gehört? Falls bisher nicht, kann sich das bald ändern. Denn die Selbsthilfetage des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) nehmen sich in diesem Jahr das Thema „Selbstbestimmte Inklusion durch Kommunikation 4.0“ vor. Ort von Thementag, Ausstellung und Bundesversammlung ist vom 15. bis 18.08.2024 das Arbeitnehmer-Zentrum Königswinter (AZK).

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